Nachhaltiges Bauen: Mehr als nur Worte – Die Bedeutung lokaler Produktion
- Vivien Wick

- 17. Juli
- 4 Min. Lesezeit
Nachhaltigkeit, CO2-Fussabdruck und Umweltbewusstsein sind Begriffe, die im Bausektor in aller Munde sind. Sie dominieren Fachdiskussionen, Marketingstrategien und zunehmend auch politische Vorgaben. Als Bauherren, Architekten, General- und Totalunternehmer sowie Baumeister tragen diese eine besondere Verantwortung, diese Prinzipien nicht nur zu proklamieren, sondern auch konsequent in die Tat umzusetzen. Doch bei aller Rhetorik zeigt sich in der Praxis oft ein Widerspruch: Während die Bedeutung von Umweltbewusstsein betont wird, werden Betonelemente häufig aus dem Ausland oder von weit entfernten Schweizer Produzenten bezogen – und das, obwohl lokale Anbieter oft eine nachhaltigere und wirtschaftlich sinnvollere Alternative darstellen würden.
Der Mythos der Ferne: Warum lokale Produktion oft übersehen wird
Die Gründe für den Bezug von Bauelementen über weite Distanzen sind vielfältig. Manchmal sind es vermeintlich günstigere Preise, die durch Massenproduktion im Ausland erzielt werden. Gelegentlich spielen auch langjährige Geschäftsbeziehungen oder die Verfügbarkeit spezifischer Produktpaletten eine Rolle, die bei lokalen Anbietern nicht auf den ersten Blick ersichtlich sind. Auch kann die Annahme bestehen, dass grössere, überregionale Produzenten eine höhere Qualität oder Lieferzuverlässigkeit bieten.
Doch diese Argumente halten einer genaueren Prüfung im Kontext der Nachhaltigkeit oft nicht stand. Die scheinbar günstigeren Preise werden häufig durch die Umweltauswirkungen langer Transportwege – sei es per Schiff, Bahn oder LKW – zunichtegemacht. Jeder zusätzliche Kilometer bedeutet einen erhöhten Kraftstoffverbrauch und damit einen höheren CO2-Ausstoss, der direkt dem Projekt zugerechnet werden muss. Auch die Belastung durch Lärm und Feinstaub in den Transitregionen darf nicht unterschätzt werden.
Die wahren Kosten des Betons: Ein Blick auf den CO2-Fussabdruck
Beton ist ein Material mit einem signifikanten CO2-Fussabdruck, primär bedingt durch die energieintensive Produktion von Zement, einem Hauptbestandteil. Wenn nun vorgefertigte Betonelemente über Hunderte oder sogar Tausende von Kilometern transportiert werden, addieren sich diese Emissionen erheblich. Der gesamte CO2-Fussabdruck eines Bauprojekts, das auf weit hergeholte Materialien setzt, steigt somit unverhältnismässig an und konterkariert alle Bemühungen um ein umweltfreundliches Bauen.
Lokale Produzenten hingegen ermöglichen es, Transportwege drastisch zu verkürzen. Ein regional hergestelltes Betonelement, das nur wenige Kilometer bis zur Baustelle zurücklegen muss, hat einen wesentlich geringeren ökologischen Rucksack. Dies ist ein direkter und messbarer Beitrag zur Reduzierung der Umweltauswirkungen und zur Erreichung der Klimaziele.
Nachhaltigkeit in der Praxis: Die Vorteile lokaler Partnerschaften
Über den reinen CO2-Fussabdruck hinaus bietet die Zusammenarbeit mit lokalen Produzenten eine Fülle weiterer Vorteile, die das Konzept der Nachhaltigkeit ganzheitlich abdecken:
Stärkung der lokalen Wirtschaft: Jeder Auftrag an einen regionalen Betrieb stärkt die Wertschöpfung vor Ort. Das sichert Arbeitsplätze, generiert Steuereinnahmen und fördert die Attraktivität der Region.
Kürzere Lieferketten und höhere Flexibilität: Kurze Wege bedeuten nicht nur weniger Emissionen, sondern auch eine höhere Zuverlässigkeit bei der Lieferung. Engpässe und Verzögerungen durch komplexe internationale Logistikketten können vermieden werden. Zudem können lokale Produzenten oft flexibler auf spezielle Anforderungen oder kurzfristige Änderungen reagieren.
Förderung von regionalem Know-how: Lokale Betriebe verfügen oft über ein tiefes Verständnis der regionalen Gegebenheiten, der spezifischen Materialeigenschaften und der Bautraditionen. Dieses Know-how kann zu massgeschneiderten und qualitativ hochwertigeren Lösungen führen.
Bessere Kommunikation und Zusammenarbeit: Die geografische Nähe erleichtert den persönlichen Austausch zwischen Bauherren, Architekten und Produzenten. Missverständnisse können schnell geklärt und Entscheidungen effizienter getroffen werden.
Transparenz und Vertrauen: Bei lokalen Anbietern ist die Herkunft der Materialien und die Produktionsbedingungen oft transparenter. Dies schafft Vertrauen und ermöglicht eine bessere Nachverfolgbarkeit des gesamten Lebenszyklus der Bauelemente.
Reduktion von Ressourcenverbrauch: Kurze Transportwege sparen nicht nur Kraftstoff, sondern reduzieren auch den Verschleiss an Infrastruktur und Fahrzeugen.
Eine gemeinsame Verantwortung: Produzenten und Bauakteure in der Pflicht
Um diese Situation nachhaltig zu verbessern, sind nicht nur Bauherren, Architekten, General- und Totalunternehmer sowie Baumeister gefordert, sondern auch die Produzenten selbst. Eine gesunde Regionalwirtschaft lebt von gegenseitigem Vertrauen und der bewussten Entscheidung, Wertschöpfungsketten zu optimieren.
Produzenten sollten sich mit überregionalen Angeboten zurückhalten: Indem lokale Produzenten den Fokus auf ihr regional verankertes Einzugsgebiet legen, tragen sie massgeblich zur Reduzierung unnötiger Transportwege bei. Eine bewusste Strategie, die den Wettbewerb in der näheren Umgebung priorisiert, anstatt kostspielige und umweltschädliche Fernlieferungen anzubieten, ist entscheidend. Dies schafft nicht nur eine bessere Ausgangslage für einen faireren regionalen Wettbewerb, sondern festigt auch die Marktposition der Unternehmen als nachhaltige Partner.
Investition in regionale Kapazitäten: Statt auf Massenproduktion für den überregionalen Markt zu setzen, können Produzenten in die Optimierung ihrer lokalen Produktionsprozesse investieren und ihr Serviceangebot für die unmittelbare Umgebung verbessern. Dies kann die Entwicklung spezialisierter Produkte für regionale Bedürfnisse oder die Stärkung der Kundenbeziehungen vor Ort umfassen.
Kommunikation der Nachhaltigkeitsvorteile: Lokale Produzenten sollten die Umweltvorteile ihrer kurzen Lieferketten und regionalen Wertschöpfung aktiv kommunizieren. Viele Bauherren und Planer sind sich der vollen Tragweite ihrer Entscheidungen bezüglich des CO2-Fussabdrucks noch nicht bewusst. Eine transparente Darstellung der eingesparten Emissionen und der gestärkten regionalen Wirtschaft kann ein starkes Argument sein.
Der Aufruf zur Umorientierung: Eine Win-Win-Situation
Es ist an der Zeit, dass die Bauwirtschaft ihre Praktiken kritisch hinterfragt und die vielbeschworene Nachhaltigkeit nicht nur auf dem Papier, sondern auch in der Materialbeschaffung ernst nimmt. Der bewusste Verzicht auf weit hergereiste Betonelemente zugunsten lokaler Produkte ist ein konkreter Schritt, der für alle Beteiligten eine Win-Win-Situation darstellt:
Für Bauherren bedeutet es nicht nur einen Beitrag zum Umweltschutz, sondern auch eine Stärkung des regionalen Standorts und oft auch eine bessere Kontrolle über das Projekt. Für Architekten eröffnen sich neue Möglichkeiten, Bauwerke mit einem geringeren ökologischen Fussabdruck zu gestalten und innovative Lösungen mit regionalen Materialien zu entwickeln. Für General- und Totalunternehmer sowie Baumeister bedeutet es eine Vereinfachung der Logistik, eine höhere Planungssicherheit und die Möglichkeit, sich als nachhaltiger und verantwortungsbewusster Partner zu positionieren.
Lassen Sie uns gemeinsam die Rhetorik in Taten umsetzen und die lokale Produktion von Betonelementen wieder stärker in den Fokus rücken. Es ist ein Investment in unsere Umwelt, unsere Wirtschaft und eine nachhaltige Zukunft des Bauens. Sind Sie bereit, diesen Schritt gemeinsam zu gehen und die Vorteile lokaler Partnerschaften voll auszuschöpfen?


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